Der erste Roman von Dörte Hansen Altes Land, der hat mich damals rundweg begeistert. Und auch den zweite Roman {Mittagsstunde} fand ich großartig. Um so mehr habe ich mich auf Zur See gefreut. Und davon möchte ich Euch heute erzählen.
Während die Geschichten ihrer ersten beiden Romane im hohen Norden, auf dem Festland statt finden, befinden wir uns bei Zur See auf einer Nordseeinsel. Erzählt wird die Geschichte der Familie Sander, die seit fast 300 Jahren in einem Dorf auf der Insel lebt.
Wobei, nein eigentlich gibt es keine Geschichte . Es werden Fragmente aus den Leben der Familienmitglieder erzählt.
Zur See
Da ist zum einen die unnahbare Hanne. Mutter dreier erwachsener Kinder, lebt im schönsten Haus auf der Insel. Jahrelang hat sie die Zimmer an Feriengäste, Badegäste, vermietet, mittlerweile nicht mehr. Sie ist verschlossen, macht ihr Ding, spricht wenig, ist aber dauernd in Bewegung, bloß nicht stehen bleiben.
Dann sind da ihre drei Kinder: Der älteste, Ryckmer, trat in die Seefahrer-Fußspuren seines Vaters und überhaupt aller Männer auf dieser Insel, aber er hat’s nicht geschafft. Er fuhr zu See, brachte es weit und fiel dann tief. Kauft sich jeden Morgen ein paar Fläschchen, arbeitet jetzt ein paar Stunden auf der Fähre, tut für die Touristen so, als wäre er Kapitän, bis er auch das nicht mehr kann und an Land arbeitet. Seine Familie weiß, dass er schwerer Alkoholiker ist, aber das wird nicht thematisiert.
Eske, seine Schwester, arbeitet im Seniorenheim, pflegt alte Seeleute, pflegte alte Seeleute-Witwen, pflegt eine nicht so glückliche Beziehung auf dem Festland, hört Heavy Metal, um runter zu kommen. Sie versucht immer wieder die Risse, die durch die Familienbande gehen, zu kitten. Gelingt ihr aber kaum.
Und dann ist da der Jüngste: Henrik. Er ist Künstler und somit der erste Mann in der Familie, der nie zur See gefahren ist. Und doch ist er jeden Tag mit seinem Hund am Strand, sammelt Treibgut, baut daraus Skulpturen, wird dafür von der Kunstwelt gefeiert. Hanne versteht dieses Geschäft nicht, spricht aber auch nicht mit ihm.
Ach und dann ist da noch Hannes Mann Jens, der Vater der drei. Einst fuhr er zur See, mittlerweile lebt er auf einer kleinen kargen Insel, auf einer Vogelwarte, zurück gezogen, einsam, langer Bart, keine Gesellschaft. Er hatte damals einfach keinen Platz mehr im Haus, überall Badegäste, sein Stuhl am Tisch besetzt.
Es gibt in diesem Haus Gesetze, die man nur versteht, wenn man die Krankheiten des Wartens kennt. Strümpfe in Männergrößen stricken, Hände in Bewegung halten, nicht an Hafenkanten stehen, keine Steine in die Nordsee werfen. Und ein Haus, dass man als Braut bezogen hat, nur noch im Sarg verlassen. Mag der Ehemann auch zwischen Vögeln Hausen.
Zitat: Zur See, Dörte Hansen, Seite 100
Von und über diese Menschen erzählt Dörte Hansen, aber die Menschen erzählen nicht miteinander. Es finden im Roman so gut wie keine Dialoge statt. Und ich glaube, dass das der Grund ist, warum ich damit nicht richtig warm wurde. Die Figuren blieben für mich nicht greifbar, die Stimmung der Geschichte ist düster, rau, unnahbar, so wie die Stimmung im Hause Sander.
Aber: Dörte Hansen schreibt wie keine andere. Die Sprache, der Sprachstil, die Beschreibung der Charaktere, der Situationen, der Vergangenheit und und und… fantastisch und einfach nur großartig.
Habt Ihr “Zur See” gelesen oder andere Bücher von Frau Hansen? Und, was sagt Ihr? Freue mich auf Eure Rückmeldungen.
Liebe Grüße
Bine
ZUR SEE von Dörte Hansen, erschienen im Penguin Verlag, September 2022, 256 Seiten
- Penguin Verlag München
- Zur See: Roman - Der Nummer 1 Bestseller
- ABIS-BUCH
- Gelb
- Hansen, Dörte (Autor)
Letzte Aktualisierung am 10.09.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
14 Kommentare
Das Buch habe ich auch gelesen und fand es großartig, nachdem ich mich nach erstem Stolpern hineingelesen hatte. Die Sprache und Erzählweise ist für mich typisch norddeutsch.
Altes Land fand ich lesenswert, aber eher wegen des Lokalkolorits, weil ich ums Eck lebe. In Mittagsstunde bin ich über eine mich langweilende Leseprobe nicht hinausgekommen. Da warte ich darauf, dass der Film in eine Mediathek kommt. Zur See hat mir von der Autorin bisher am besten gefallen.
Ach guck, Ines, wie unterschiedlich wir beide diese drei Geschichten gelesen und gemocht, bzw. nicht gemocht haben. :-) Obwohl auch Mittagsstunde im hohen Norden “statt finde”, habe ich in dieser Geschichte ganz viel von meinem Dorf am Niederrhein entdeckt und konnte mich in diese Geschichte total gut reinversetzen.
Ich habe gehört, dass Altes Land verfilmt wurde, habe es aber nie gesehen.
Ich mache mich mal auf die Suche….
Liebe Grüße Bine
Moin liebe Bine,
ich habe ebenso wie du alle Hansen Bücher gelesen ..
Altes Land und Mittagsstunde verfilmt gesehen.. Adaption von Schrift zu Bild ist sehr gelungen…finde ich ..
Zur See finde ich nicht wirklich annähernd so gut wie die vorherigen Bücher..
Hansens Schreibstil ist anders als gewohnt.. für mich etwas schwieriger zu lesen.
Empfinde auch die beschriebenen Personen irgendwie ” klischeehaft”..
Vater- Eigenbrötler..Mutter – starke Frau ( vermeintlich )..1.Sohn- Versager/Alkoholiker..2.Sohn- Ausbruch aus der Familie durch sein “Künstlersein” Tochter in einer lesbischen Beziehung..
Nun denn..es gibt sicherlich viele verschiedene Meinungen zu diesem Buch..so soll es ja auch sein..
Mir hat’s nicht wirklich zugesagt..
Liebe Grüße
Andrea
Liebe Andrea,
jetzt, wo Du es schreibst… das stimmt… die Figuren sind etwas klischeehaft. Das ist mir beim Lesen so nicht aufgefallen.
Du hast total recht – jede Meinung ist herzlich willkommen, so soll es sei – in diesem Fall sind wir einer Meinung.
Es hat mir nicht richtig zugesagt. Ich hoffe auf das nächste Buch von Frau Hansen. ;-)
Liebe Grüße Bine
Hallo Bine, ne Dörte Hansen hab ich noch nicht gelesen, hört sich gut an. Ich bekam kürzlich von einer Bekannten von Lucinda Riley einen Band ihrer “Sieben Schwestern”. Ich habe es gefr……..und mir gleich aus der Bibliothek weitere Bände geholt. So toll geschrieben, wahnsinnig interessant. Du kennst die Reihe vielleicht., wenn nicht, sehr zu empfehlen!! Hab ´nen schönen Tag, liebe Grüße
Liebe Ilsebilse,
Die Reihe der Sieben Schwestern habe ich alle – bis auf den letzten Band – gelesen. Und auch hier im Blog drüber geschrieben. :-)
Den letzten Band, die Geschichte von Pa Salt, die habe ich mir für den Sommerurlaub aufgehoben. Ich freue mich schon drauf und
hoffe, dass dann auch alle Geheimnisse gelüftet werden.
Liebe Grüße Bine
PS: Hier mein Artikel zu den ersten Büchern aus der Reihe – keine Sorge, ich verrate nix Wichtiges:
https://www.waseigenes.com/2020/06/04/buchtipp-die-sieben-schwestern/
Dass du da abwarten konntest bis du Pa Salt in die Hände nimmst – bewundernswert! Ich konnte es nicht aus der Hand legen und war am Ende traurig, dass alles vorbei war. Ich mag nicht Spoilern, aber ich fand Band 8 mega!
Ich lese gerade einfach zu wenig und zu selten… aber Pa Salt wird bald gelesen, das Buch steht ganz oben auf meiner Liste.
Und danke für den Spoiler, das sind doch tolle Aussichten! :-)
Oh, “Zur See” ist so ein tolles Buch. Ich hatte mich schon sooo darauf gefreut und es möglichst lange vor mir hergeschoben es zu lesen. Und dann im Urlaub auf dem Darß – perfekter Leseort dafür. Mit hat es aber auch genauso gut gefallen, wie die beiden Vorgänger und nun warte ich sehnsüchtig auf ein neues Buch von Frau Hansen… Aber das dauert sicher noch ein bisschen.
Da ist doch toll, liebe Susann, dass Du nicht enttäuscht wurdest. Und den perfekten Leseort hast Du Dir auch ausgesucht! :-)
Ich freue mich auch schon wieder auf das nächste Buch – auch wenn mich Zur See nicht zu 100% glücklich gemacht hat.
Liebe Grüße Bine
Hi Bine, daß Du schon über die 7 Schwestern berichtet hast, muß ich “verschlafen” haben. ne, da könnte ich nicht warten. Die muß ich jetzt in einem Rutsch lesen. Schönen Abend noch.
Ist ja auch schon super lange her, liebe Ilsebilse!
Doch ich brauche zwischen laaangen Reihen auch mal eine Pause und was anderes.
Aber der Urlaub naht und damit auch der letzte Band. ;-)
Ich habe das Buch auf Helgoland gelesen, fand es total gut, vor allem wenn man mitten im Meer sitzt.
Es passt einfach auf eine Insel! Perfekte Urlaubslektüre
Oh, ich liebe alle drei Bücher von Dörte Hansen, mag ihren Schreibstil sehr!
Danke für deine Büchertipps und liebe Grüße aus Ö, Christine